Ein offener Brief an die Parteien.
Sehr geehrte Vertreter der Parteien im deutschen Bundestag und im Bayerischen Landtag, sehr geehrte Frau Wagenknecht (adressiert als Vertretung einer vermuteten Partei in Gründung),
wir von „MachtFrieden!“ sind eine Bürgerinitiative die ein friedliches menschliches Miteinander im Sinne hat. Am 18. Februar 2023 organisierten wir mit 20 000 Teilnehmern in München eine der größten Demonstrationen dieses Jahres. Dies gelang praktisch ohne mediale Aufmerksamkeit im Mainstream. Wir beobachten den sich vergrößernden inneren Unfrieden der Bundesrepublik Deutschland mit großer Sorge. Im Zusammenhang mit diesem Unfrieden sehen wir eine tiefe Legitimationskrise der parlamentarischen Demokratie, der unserer Ansicht nach dringend Rechnung getragen werden muss.
Die bei Wahlen bekanntgegebenen Prozentzahlen sind im Grunde völlig irreführend, denn die Wahlbeteiligung fließt dort nicht mit ein. Die Nichtwähler bilden inzwischen in Deutschland mit rund 40 Prozent mit zunehmender Deutlichkeit die eigentlich stärkste Wählergruppe. Bei einer Wahlbeteiligung von 60 Prozent vereint eine Partei, welche 30 Prozent der abgegebenen Stimmen erhält, tatsächlich nur 18 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten auf sich. Immer mehr Menschen erhoffen sich offenbar nichts mehr vom Gang zur Wahlurne und laufen dem derzeitigen politischen System in Scharen davon. Wie es dazu kam, möchten wir hier gar nicht näher erläutern. Es sollte selbsterklärend sein und ist ihnen allen sicherlich bewusst, dass es mit der Arbeit von Regierungen und an diesen beteiligten Parteien zu tun hat. Man erwartet ja allgemein nicht einmal mehr, dass sich diese an Wahlversprechen halten. Für viele ist der Wahlschein einer zur Scheinwahl. Und selbst unter jenen, die wählen, ist das Vertrauen in die Parteien offenbar sehr gering. Nur noch 9% der Befragten vertrauen laut einer Umfrage für die Körber-Stiftung noch den politischen Parteien. Gleichzeitig wünschen sich 86 Prozent der Bürger mehr politische Partizipation (https://koerber-stiftung.de/projekte/staerkung-der-demokratie/vertrauensverlust-in-die-demokratie/). Die Legitimationskrise des parlamentarischen Systems, die eigentlich eine Krise Ihrer Legitimation als Parteien und Parteipolitiker ist, hat längst ein Ausmaß angenommen, das unsere Verfassungsmäßige Ordnung gefährdet:
Im konstituierenden Artikel 20 des Grundgesetzes heißt es, die Bundesrepublik sei ein demokratischer Bundesstaat. Es steht dort weiter, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe und vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (…) ausgeübt werde. Bei der aktuellen Regelung politischer Entscheidungsprozesse ist die Ausübung der Staatsgewalt seitens des Volkes im Wesentlichen auf Wahlen beschränkt und wir wählen Sie, die Parteien. An Sie wird der Großteil der staatlichen Gewalt delegiert. Sie stellen die Regierung und wählen das Staatsoberhaupt. Nun genießen Sie, die Parteien, aber nicht mehr das Vertrauen des Volkes. Man kann also wirklich nicht davon sprechen, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe, wenn das Volk gezwungen ist, diese Staatsgewalt an Institutionen zu delegieren, denen es schlicht nicht vertraut. Hinzu kommt noch, dass wir mit ansehen müssen wie immer mehr staatliche Gewalt von den Parlamenten weg und hin zu supranationalen Organisationen delegiert wird, die jeglicher demokratischen Grundlage entbehren. Es sind also die Parlamentarier und Parteipolitiker selbst, die mit ihren Entscheidungen das Vertrauen der Bürger in die Demokratie untergraben und unseren Staat delegitimieren. Wir sind sehr besorgt. Sie sicher auch.
Wir als Friedensinitiative wollen Menschen ermutigen, ihre Verantwortung als demokratischer Souverän wahrzunehmen und Parteien und Parlamentariern durch friedlichen aber deutlichen Protest ihre Ablehnung von Krieg, Deindustrialisierung und Globalismus deutlich zu machen. Die zentrale Verantwortung zur Überwindung der Legitimationskrise liegt allerdings in einer parlamentarischen Demokratie bei Ihnen als politisch legitimierte Volksvertreter. Alles was wir in dieser Richtung sehen ist, dass alle paar Jahre irgendwelche Bürgerräte stattfinden, zu deren Auslosung obendrein nur ein marginaler Teil der Bevölkerung kandidieren kann und von denen man kaum etwas mitbekommt. Noch dazu haben diese Räte keine Entscheidungsgewalt, das Verfahren ist in der Ausgestaltung ausgesprochen kritikwürdig und die beratenden Experten werden eben leider gerade nicht von ausgelosten Bürgern bestimmt. Angesichts der Situation erscheint uns das von der Politik gemachte Partizipationsangebot an die Bürger mehr als unzureichend. Indem sie so weitermachen tun Sie aus unserer Sicht genau das, was Regierungsparteien Regierungskritikern wie, tja, uns neuerdings gerne vorwerfen: Sie untergraben das Vertrauen in staatliches Handeln und delegitimieren damit diesen, unser aller Staat – die Republik des Grundgesetzes. Wir wenden uns also an Sie alle, als politisch Verantwortliche im Parlament, die die Macht haben, politische Entscheidungsprozesse anders und besser zu regeln. Wir wenden uns an Sie mit folgender Frage:
Beabsichtigen Sie auf diese Zustände zu reagieren und die verfassungsmäßige Ordnung nach Artikel 20 Absatz 2 GG in absehbarer Zeit herzustellen? Wenn ja, wie?
Wir freuen uns sehr, wenn wir bis zum 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit, zum Mindesten eine vorläufige Antwort erhalten. Rechnen werden wir, so ehrlich muss man sein, leider nicht damit. Es ist uns dennoch ein Anliegen und wir sehen es als unsere demokratische Pflicht, Sie auf die massive Legitimationskrise unserer parlamentarischen Demokratie, welche aus unserer Sicht sowohl den sozialen Frieden wie auch die Zukunft unserer Kinder gefährdet, hinzuweisen und fühlen uns als Teil des demokratischen Souveräns und als relevante Initiative der deutschen Friedensbewegung durchaus legitimiert und in der Lage, Sie zum Handeln aufzufordern. Wir veranstalten am 3. Oktober, fünf Tage vor der Landtagswahl in Bayern, eine Versammlung in München für den Frieden im Außen und im Innen. Etwaige Antworten werden wir dem versammelten Teil des Volkes und den zahlreichen Zuschauern an den Bildschirmen zur Kenntnis bringen. Ohne Handeln werden sich unweigerlich weitere Menschen vom Parteiensystem abwenden und weitere Teile der Bevölkerung werden sich radikalisieren, was uns als Bürger, Demokraten und Eltern große Sorgen macht. Wie Sie wissen wenden sich inzwischen manche nicht nur von Wahlen und Parteien, sondern sogar von der Idee der Demokratie als solcher ab. Wir von „Macht Frieden!“ verstehen uns als Teil der außerparlamentarischen Opposition und damit als legitime regierungskritische Stimme im demokratischen Kräftemessen. Demokratische Parteien, die legitime Formen von Opposition ignorieren, abwerten oder kriminalisieren, stärken damit andere Formen der kollektiven Organisation von Interessen. Wir fragen uns, wo das noch enden wird.
20.09.2023
Gezeichnet:
Melchior Ibing, Koordinator von MachtFrieden!
Dr. Mona Aranea, Pressesprecherin von MachtFrieden!
Oliver Hanneman, München steht auf
Jürgen Müller, „Wir-Gemeinsam-Bündnis“ München
Sabine Kaiser, „Wir-Gemeinsam-Bündnis“ München
Dr. med. Ingrid Pfanzelt, Mitglied des IPPNW
Tom Ulherr, Mitarbeit u.a. bei „WIR WOLLEN REDEN:“ Nürnberg