Die Auftaktversammlung des Bündnisses „Macht Frieden!“ am 18.2.23 auf dem Königsplatz in München anlässlich der Münchner „Sicherheitskonferenz“ ist vorbei. Sie sollte der Friedensbewegung neues Leben einhauchen und mit Stolz und Freude kann man wohl konstatieren, dass dies gelungen ist. Die Medien sind voll von Berichten über die Versammlung und schreiben fast ausnahmslos von über 10.000 Teilnehmern. Jeder der bereits einmal Demos organisiert hat und weiß, wie die Teilnehmerzahlen gerne kleingeschrieben werden, kann erahnen, wie viele Menschen wirklich auf dem Platz standen. 

Die Organisatoren selbst haben an 2 Zählstationen gut 20.000 Menschen gezählt. Allerdings – wie so oft – kürzten Menschen an geeigneten Zählstellen ab und/oder liefen so dicht und schnell vorbei, dass die Zähler mit dem Zählen nicht ganz hinterherkamen. Der Eindruck des vollen Königsplatzes, der viele von 25.000-30.000 Teilnehmern ausgehen ließ, könnte also durchaus zutreffend sein. 

Die genaue Zahl ist egal, jedenfalls waren es mindestens 20.000 Menschen von jung bis alt, aus allen politischen Lagern und mit allen möglichen persönlichen Hintergründen usw. Kurz: Es fand sich die Mitte der Gesellschaft auf dem Platz ein. Über die Menge an Berichterstattung zu dieser Demo kann man sich nicht beklagen. Diese Masse an Menschen – der Demozug bewegte sich mit einer Länge von über 1 Stunde laut durch München – kann man nicht verheimlichen. Viele Berichte waren auch neutral und objektiv, was einen dann nach den Erfahrungen der letzten Jahre überrascht und auch erfreut. Hier findet man die Pressemitteilung des Bündnisses.

Es fanden sich aber auch ein paar besondere Stücke wieder, die man aufgreifen muss und bei denen man das Publikum darauf hinweisen muss, mit welchen Mitteln dort gearbeitet wird. So ziemlich das übelste Stück dürfte sich die taz geleistet haben, weshalb ich diesen Artikel herausgreife.

Gleich zu Beginn wird der Leser eingenordet. Es geht los in der Überschrift, wo die Mitte der Gesellschaft auf dem Königsplatz unter „jubilierende Rechte“ subsumiert wird. Als linker Öko habe ich meine finanzielle Unterstützung für die taz schon vor Jahren eingestellt, als der Kriegskurs immer deutlicher zu vernehmen war. Aber was sie sich hier leistet, ist schon ein besonderes Schurkenstück. Weiter geht es damit, dass man die Organisatoren einer Friedensdemonstration als Querdenker und Coronaleugner bezeichnet. Das ist deshalb besonders dreist, weil dies auf keinen der Organisatoren zutrifft und wohl auch auf die wenigsten Menschen auf dem Königsplatz, wenn überhaupt auf jemanden. 

Es sollen Russlandfahnen, Deutschlandfahnen und Compact-Transparente zu sehen sein.🧐

https://t.me/StreetviewPhotography/2181

Bei ersteren fragt man sich angesichts der Bilder, ob ein Plural für andere als Friedensflaggen überhaupt gerechtfertigt ist. Bei letzterem fragt man sich, ob die Autoren vielleicht auf der falschen Demo waren, denn Compact und AfD machten an einem anderen Ort eine eigene Demo mit 250 Menschen. Auf der Demo am Königsplatz wurden Parteisymbole nicht zugelassen und zweifelhafte Flaggen und Transparente waren unerwünscht.

Weiter geht es mit der Zahl: Es sollen lediglich 10.000 gewesen sein und keine Zehntausende. Waren die Autoren wirklich vor Ort?

Die Autoren wissen auch ganz genau, an wen sich die Botschaft „Macht Frieden!“ richtet. Nicht etwa an diejenigen, die von den Organisatoren adressiert werden. Was interessieren die Autoren die Informationen auf der Homepage www.macht-frieden.org und in den Kanälen des Friedensbündnisses in den sozialen Medien, wenn sie die Möglichkeit haben, ALLEN Menschen auf dem Platz zu unterstellen, dass für den Ukraine-Krieg die NATO im Allgemeinen und die USA im Besonderen verantwortlich sind. Eine Umfrage wurde meines Wissens nicht durchgeführt, schon gar nicht unter ALLEN Teilnehmern.

Diether Dehm wird attestiert, eine Hetzrede gehalten zu haben, nachdem er damit zitiert wird, dass das Minsker Abkommen nur eine Hinhaltetaktik gewesen sei, was aber ja beispielsweise der ehemalige französische Staatschef Hollande nach einem Interview mit der Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Zeit bestätigt hat. 

Jürgen Todenhöfer betonte, dass es eine Selbstverständlichkeit sei, das russische Vorgehen zu verurteilen und dass es nicht darum gehe, die Bundesregierung für ihre Kritik an Russland zu kritisieren, sondern für ihre fehlende Kritik an der NATO und den USA. Gut, dass die Autoren das überhört haben, denn es hätte nicht zum Artikel gepasst und nur zu einem Störgefühl bei den Lesern geführt, denen ja offensichtlich eine gewisse Haltung verpasst werden sollte.

Was kann man sonst noch machen, um die Mitte der Gesellschaft zu diffamieren und den Beginn einer Friedensbewegung im Keim zu ersticken? Das wird zwar nicht gelingen und man fragt sich auch, warum jemand das am Beginn des 3. Weltkriegs überhaupt wollen sollte. Aber es wird halt einfach gemacht, indem man Dreck wirft, in Deutschland idealerweise braunen. Das funktioniert immer und so sei Jürgen Elsässer auf dem Königsplatz „gern gesehen“. Aha. Es sei erwähnt, dass ich Jürgen Elsässer selbst in den Tagen vor der Demo auf meinem Twitteraccount selbst als unerwünschten Störer ausgemacht habe. Ich habe ihn auf dem Königsplatz auch nicht gesehen. Es mag Leute geben, die ihn anders sehen. Es dürfte sicher aber keine Mehrheit sein. Eine solch pauschale Aussage kann man objektiv nicht treffen. Das ist kein Journalismus. Das ist Propaganda. 

Die fehlende Abgrenzung nach rechts sei auch der Grund, warum es diese Demo überhaupt als Kontrast zur etablierten Anti-SIKO-Demo gebe. Das ist richtig und es ließe sich auch leicht recherchieren, warum das so ist. Hier zum Beispiel:

https://muenchen-steht-auf.de/briefwechsel-zwischen-2-protestkulturen/

Dazu eine persönliche Anmerkung: Ich habe eine erhebliche Abneigung gegen die AfD, die den kritischen Teil der Bevölkerung gerne als ihre Stimme im Parlament vereinnahmen würde. Dem trete ich vehement entgegen, schon weil ich die AfD für eine im Kern neoliberale Partei halte, die sich zudem nicht um Rechtsextremismusprobleme in ihrer Partei kümmert. Gleichwohl haben AfD-Wähler selbstverständlich jedes Recht zu demonstrieren und sich auch gegen pauschale Anfeindungen, sie seien Nazis zu wehren. Das versteht man umso mehr, wenn man als Linker seit der Coronakrise selbst plötzlich Nazi ist, weil man „Grundrechte“ gesagt hat. Und jetzt soll ich am Besten für den Krieg demonstrieren, weil die AfD für Frieden mit Russland ist? Geht es noch verrückter? Denn auch ich als Linker fühle mich auf der Anti-SIKO-Demonstration, zu der ich jahrelang ging, nicht mehr willkommen. Und so wie mir geht es sehr vielen. Erst vor Kurzem wurde ich bei einer Demonstration gegen das Bayerische Polizeiaufgabengesetz von der Versammlungsleiterin an den Twitter-Pranger gestellt. Es ist eine ehemalige Weggefährtin, die mich, hätte sie mich rechtzeitig entdeckt, am Liebsten von der Versammlung entfernen hätte lassen.

Bereits kurz vorher wurden Teilnehmer von „München steht auf“ auf einer Friedensdemo durch einen Gewerkschafter von der Bühne herab diffamiert und ausgegrenzt. Wen wundert es da, dass sich viele Menschen bei den bisherigen Bündnissen und auf deren Demos nicht mehr wohl fühlen angesichts dieser systematischen Ausgrenzung? Das ist der Grund, warum es diese Demo, warum es diese Bewegung gibt und trotzdem werden wir weiter nicht aufhören, an allen Ecken und auf allen Ebenen das Verbindende zu suchen. Denn die Kritik muss sich dorthin richten, wo die Macht ist. Gemeinsam.

Bis vor 3 Jahren hätte ich wohl mit AfD-Funktionären nicht einmal gesprochen. In der Coronakrise bin ich zum Demokraten gereift. Ich würde heute sogar mit jemanden von den Grünen sprechen, die weitaus gefährlicher sind, als es eine AfD sein könnte, da sie in Regierungsverantwortung sind und den Weltkrieg fordern und fördern und in der Coronakrise sogar unsere höchsten Grundrechte – die Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unversehrtheit – schleiften. Es kann also keine Rede davon sein, dass diese Demo in irgendeiner Form extrem war, denn man hatte sich von jeder Form des Extremismus deutlich abgegrenzt, insbesondere auch von Bündnis 90/Die Grünen. Auf der anderen Seite müssen wir auch so stark sein, dass rechtsoffen nicht heißt, dass hier eine Partei eine Bewegung kapert. Die neue Bewegung ist so stark und gefestigt, dass dies keiner Partei gelingen wird.

Aber eines ist gewiss: Bei der lagerübergreifenden Bewegung ist jeder friedliche Demokrat von links bis rechts willkommen, seine Grundrechte auszuüben, die allen Bürgern zustehen. Alle friedlichen Demokraten sind eingeladen, ein Zeichen für den Frieden zu setzen. Wer eine solche Bewegung angreift, torpediert den Frieden und fördert den Krieg und die gesellschaftliche Spaltung. Wir wollen verbinden und versöhnen und wir wollen eine offene Debattenkultur, weil die öffentlichen Debattenräume das Lebenselixier der Demokratie sind.

Wie absurd der Versuch anmutet, diese Demo als eine rechte Demo zu framen, zeigt im Übrigen schon ein Blick auf die Kräfteverhältnisse. Auf der Demo der AfD befanden sich 250 Menschen. Nur mal angenommen, sie hätten sich allesamt danach der Demo auf dem Königsplatz angeschlossen, wären das 250 Menschen in einer Masse von vermutlich um die 25.000 gewesen. Es ist vollkommen absurd, dabei von einer rechten Demo zu sprechen. Es ist billigste, hasserfüllte Propaganda. 

Der Artikel ist ein einziges Stück Zombiejournalismus, wie ihn der Journalist und Autor Marcus Klöckner in seinem gleichnamigen Buch beschreibt.

Was bleibt positiv in Erinnerung am Artikel der taz. Er war gegendert und das ist schön, denn der verbreitete Hass soll wohl möglichst inklusiv sein, damit sich alle Ausgegrenzten und Diffamierten mitgehasst fühlen. 

Ein weiteres Highlight in dem Zusammenhang war der Bericht in der Süddeutschen Zeitung über „zahlreiche“ Russlandfahnen auf der Versammlung. 

Ich möchte das eigentlich gar nicht weiter kommentieren und diesen gefährlichen Unsinn auch nicht zur Lektüre empfehlen.

Stattdessen stelle ich einen Kameraschwenk über den Platz zur Verfügung, der diese bösartige Lüge und Propaganda als das entlarvt, was sie ist: Eine dreiste Manipulation der Leser. Journalismus ist das nur noch im weitesten Sinne (iwS). 

Abschließend noch ein besonders infames Stück des ZDF. Infam deshalb, weil jeder von uns dafür monatlich € 18,36 zahlen muss. Während man sich bei Spiegel, TAZ, SZ und den Springer-Medien noch dafür entscheiden kann, dass man dafür nicht zahlt, sich in den 3. Weltkrieg schreiben zu lassen, stürmt der öffentlich-rechtliche Rundfunk ungeniert und finanziell durch Zwangsabgaben üppig ausgestattet weiter voran. Eine Demokratie braucht neutrale Medien, die berichten was ist. Dann kann man immer noch darüber streiten, was richtig ist. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte gerade dies leisten. Er gehört uns allen und sollte für uns alle arbeiten.

In diesem Bericht über den Demo-Samstag in München jedoch, der gespickt voll war mit den unterschiedlichsten Demos, schafft es das ZDF, die kleinen, eher erwünschten Demos mit ein paar Hundert Teilnehmern bis ins Detail zu beschreiben und die größte mit über 20.000 Teilnehmern, die wirklich die Machtfrage stellt, vielleicht genau deshalb nicht einmal mit einer Silbe zu erwähnen

Das ZDF hat nach dem gestrigen Beitrag der Organisatoren hierzu den Bericht bereits ergänzt. Nun findet sich im letzten Absatz die größte Demo wieder, zwar mit unnötigem Framing und einer zu geringen Teilnehmeranzahl. Aber es muss ihnen klar geworden sein, dass sie einen Demozug, der mit über 20.000 Menschen über 60 Minuten lang und laut durch die Straßen zog, nicht ganz verheimlichen konnten. Hier die aktuelle Version.

Sicherheitshalber folgt hier auch noch der Archivlink, denn hingewiesen wird beim ZDF natürlich nicht drauf, dass es eine journalistisch unzulängliche Vorgängerversion gab, die – vielleicht mehrfach – ohne Kenntlichmachung geändert wurde.

Abschließend und um beispielhaft aufzuzeigen, wie Zombiejournalismus funktioniert:

Den Journalisten iwS Tobias Bezler, der unter dem Namen Robert Andreasch gegen alles anschreibt, was er irgendwie für rechts hält, habe ich noch am Königsplatz angetroffen und höflich angesprochen. Ich habe ihn gebeten, wenigstens heute einigermaßen objektiv zu berichten, wenn sich über 20.000 Menschen friedlich für den Frieden versammeln. Es gehe um den Frieden, der allen am Herzen liegen müsse und eine objektive Berichterstattung rechtfertige (wir sind leider arg diffamierende Berichterstattung aus den letzten Jahren gewohnt). Seine Antwort war, ganz vorne habe sich ein AfD-Block gebildet. Er habe bereits die Bilder, die er brauche.

Der Zug war zu diesem Zeitpunkt gerade erst am Königsplatz losgelaufen. 20.000 Freunde des Friedens aus allen politischen Lagern, von jung bis alt, die Mitte der Gesellschaft lief gerade erst los und ich nach vorne, um zu sehen, was da los war. Und was soll ich sagen: Da war kein erkennbarer AfD-Block. Mag sein, dass er irgendwo in seinem detektivischen Eifer jemanden entdeckt hat. Ich erkenne die nicht alle und wir hatten Parteiinsignien ausgeschlossen. Aber wenn man als Journalist mit dem nötigen Aktivismus an die Sache herangeht, wird sich schon etwas finden lassen.

Es verwundert bei einer solchen Arbeitsweise auch nicht, wie die Berichte zustande kommen. Die Demo war noch längst nicht beendet, als Martin Bernstein seinen oben erwähnten diffamierenden Artikel um 16:14 Uhr in der SZ veröffentlichte. Er hatte ja 1 Russlandfahne bereits entdeckt…

(Autor: Jürgen Müller)